Von 2014 bis 2018 wurden mehr als 6.000 Bücher aus dem Judaica-Bestand der Universitätsbibliothek Potsdam untersucht, die im Verdacht stehen, NS-Raubgut oder Beutegut zu sein. Zahlreiche Bände wurden bisher identifiziert. Die mehrheitlich hebräischen oder jiddischen Provenienzmerkmale werden in der kooperativen Datenbank Looted Cultural Assets dokumentiert.
1994 wurde an der Universität Potsdam der interdisziplinäre Studiengang Jüdische Studien/Jewish Studies eingerichtet. Damit ging der Aufbau eines fachspezifischen Buchbestandes einher, da an der Universitätsbibliothek Potsdam kaum Literatur zu Judentum, Israel und Religionswissenschaft vorhanden war. Die Bestände gelangten durch antiquarische Ankäufe und Schenkungen in den Besitz der Bibliothek.
Mit dem Erwerb der Privatbibliotheken des Jerusalemer Bibliothekars Dr. Israel Mehlmann, des literarischen Leiters des Jüdischen Staatstheaters in Bukarest, Israil Bercovici, und des Amsterdamer Rabbiners, Prof. Yehuda Aschkenasy, gelangten wertvolle Sammlungen in die Bibliothek. Die Sammlungen selbst wurden größtenteils erst nach 1945 aufgebaut und bergen zahlreiche Bücher mit Provenienzmerkmalen.
Hebräische Buchtitel bilden den weitaus größten Anteil der zu untersuchenden Bestände. Dazu sind viele Provenienzmerkmale und Namensnennungen in Hebräisch oder Jiddisch verfasst. Deshalb wird deren Bearbeitung im Rahmen des Provenienzforschungsprojektes der UB durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin gewährleistet.
Die verdächtigen Bücher werden identifiziert und ihre Provenienzen fotografiert. Dies können Stempel, Exlibris, Etiketten, Autogramme oder andere handschriftliche Einträge sein. Zusammen mit den bibliographischen Daten werden diese Merkmale in die kooperative Datenbank Looted Cultural Assets eingepflegt. Weil von den verdächtigten Büchern über 70 Prozent Angaben in Hebräisch oder Jiddisch aufweisen, ist deren Erfassung sehr zeitaufwendig, so dass ausschließlich die bibliographischen Angaben transliteriert werden.
Die Recherchen zu Entitäten - also zu Personen bzw. Körperschaften - ist ebenfalls sehr aufwendig, weshalb diese nur im Einzelfall durchgeführt werden. Wenn sie erfolgreich sind, werden die Ergebnisse in der Datenbank erfasst. Durch die Kooperation mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), der Freien Universität Berlin und dem Centrum Judaicum können wir gegenseitig auf bereits hinterlegte Informationen zugreifen, was die Arbeit wesentlich erleichtert.
Schon 1998 beziehungsweise 1999 wurden mit der Washington Conference Principles on Nazi-Confiscated Art und der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, die Grundlagen für die Provenienzforschung geschaffen. Darin werden die öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archive aufgerufen, in ihren Beständen NS-Raub- und Beutegut zu identifizieren, mögliche Erben zu ermitteln und die betroffenen Bände zu restituieren.
Seit 2014 werden die Judaica-Bestände an der Universitätsbibliothek Potsdam auf NS-Raub- und Beutegut hin untersucht.
Projektleitung:
Dr. Andreas Kennecke
Kontakt: kenneckeuuni-potsdampde
Ehemalige Projektmitarbeiter:
Sebastian Drost
Anke Geißler-Grünberg
Das Projekt wurde gefördert durch die Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.