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Interview: Die große Freiheit? – Warum man open access publizieren sollte

Beitrag der Universitätsbibliothek zur International Open Access Week vom 22. Oktober 2020

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Foto : UB Potsdam
Open Access hilft allen: Es erleichtert den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Es macht aber auch den Wissenschaftler*innen, die ihre Forschungsergebnisse publizieren und möglichst breit rezipiert wissen wollen, das Leben leichter – sagen viele. Aber was sagen die Forschenden selbst? Wie hat sich ihre Arbeit mit OA verändert? Wie nutzen sie es? Und wo sehen sie noch Luft nach oben. Matthias Zimmermann sprach mit der Rehabilitationsforscherin Dr. Annett Salzwedel und dem Trainingswissenschaftler Prof. Dr. Urs Granacher.

Wie und wann sind Sie zuerst mit dem Thema Open-Access-Publizieren in Berührung gekommen?

Salzwedel: Das kann ich gar nicht genau sagen, wahrscheinlich im Rahmen von Literaturrecherchen vor gut 10 Jahren.
Granacher: Das war im Jahr 2010 an der Universität Basel, Schweiz. Wir haben Daten aus einem von der SNF (Swiss National Science Foundation) geförderten Projekt in einem Open-Access-Journal publiziert. Der SNF verpflichtet Wissenschaftler, die Resultate der SNF-geförderten Projekte in frei zugänglichen Publikationen oder Datenbanken zu veröffentlichen.


Seit wann veröffentlichen Sie Artikel im Open Access?

Granacher: Seit 2010 und insbesondere seit 2012 an der Uni Potsdam mit Unterstützung des Publikationsfonds.
Salzwedel: Die erste Open-Access-Arbeit – eine Metaanalyse zum prognostischen Effekt der kardiologischen Rehabilitation – haben wir 2016 in einem Hybrid-Journal publiziert, ganz bewusst, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Mit Erfolg, wie sich zeigte: Mehrere Tausend Downloads und über 100 Zitierungen sind sicherlich in Teilen auch auf die unkomplizierte Verfügbarkeit zurückzuführen.
 

Was ist Ihre größte Motivation wissenschaftliche Artikel open access zu veröffentlichen? Was leistet OA, was vorher nicht möglich war?

Salzwedel: … der freie Zugang zu unseren Artikeln auch für Wissenschaftler, Studierende und andere Interessierte, die nicht über eine institutionelle Anbindung bspw. an eine gut ausgestattete Universitätsbibliothek verfügen können. Open Access ermöglicht Zugang zu wissenschaftlicher Evidenz für jedermann (sofern die technischen Voraussetzungen erfüllt sind).
Granacher: Wenn Forschungsprojekte mit öffentlichen Geldern finanziert werden, sollten die Ergebnisse allen Interessierten digital und kostenlos zur Verfügung stehen. Seit sogenannte „alternative Fakten“ auch in höchsten politischen Kreisen salonfähig wurden, erscheint der freie Zugang zu Forschungsergebnissen besonders bedeutsam zu sein.


Wie groß ist in Ihrer Arbeit als Forscher bzw. Forscherin – sowohl als Leser als auch als Autor – der Anteil an Open-Access-Artikeln?

Salzwedel: Auf jeden Fall zunehmend. Das liegt nicht nur an meinem Wunsch, dass meine Arbeiten auch gelesen werden. Es gibt im Open Access inzwischen Sparten, die von traditionellen Journals nicht gleichwertig z.B. in Bezug auf Qualität, Umfang und Zielrichtung bedient werden. Beispielsweise die Journal-Familie des JMIR (Journal of Medical Internet Research), die Artikel zur Digitalisierung in der Medizin publiziert.
Granacher: Der Anteil an Open-Access-Artikeln ist während der letzten Jahre in meiner täglichen Arbeit sowohl in Forschung als auch in Lehre stetig angestiegen. Insbesondere sind Open-Access-Artikel für die forschungsbasierte Lehre und die Nutzung in forschungsorientierten Seminaren von großer Bedeutung. Bei unseren Forschungsprojekten im Spitzensport kommt die Open-Science-Philosophie zuweilen an ihre Grenzen, da im Wettstreit der Nationen um das Podium die Daten von Spitzensportlern besonders schützenswert sind. Hier wird oftmals zwischen Wissenschaftlern und den Bundessportfachverbänden vereinbart, dass die Daten von Athleten zum Beispiel mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung publiziert werden.
 

Welche Hürden sehen Sie gegenwärtig für Open-Access-Veröffentlichungen? Wo besteht Verbesserungsbedarf, auch hier an der UP?

Granacher: Zunächst einmal möchte ich die Chance nutzen und mich bei der UP für die finanzielle Unterstützung meiner Forschungsarbeiten während der letzten Jahre aus Mitteln des Publikationsfonds bedanken. Sogenannte „Predatory Journals“ stellen ein großes Problem im Zusammenhang mit unseriösen Open Access Zeitschriften dar. In der Zwischenzeit kann mit Open Access Journals viel Geld erwirtschaftet werden, weshalb es schwarze Schafe unter den Zeitschriften und Herausgebern gibt. Dabei ist Beall's List of Potential Predatory Journals and Publishers hilfreich und kann Aufschluss geben, welche Zeitschriften zu vermeiden sind. Darüber hinaus können die teilweise hohen Publikationskosten einiger Zeitschriften zum Beispiel Wissenschaftler aus Schwellenländern benachteiligen.
Salzwedel: Ich sehe verschiedene Probleme. Zum einen ist das Veröffentlichen gegen Publikationsgebühr in einem Fachjournal nicht für jeden gleichermaßen finanzierbar. Hier findet also eine Selektion nach institutioneller Anbindung und wirtschaftlicher Ausstattung statt. Zum anderen erreicht uns täglich eine Flut von E-Mails aus Verlagen, die nicht selten mit geminderten oder gar erlassenen Publikationsgebühren und „rapid review“-Verfahren werben. Hier ist es selbst für erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitunter schwierig, sogenannte Predatory-Publishers zu erkennen.


Gibt es in Ihrem Forschungsbereich auch sogenannte Diamond OA Journals – OA Zeitschriften, die institutionell und nicht über APC finanziert werden?

Granacher: Ja, diese Zeitschriften gibt es. Im Directory of Open Access Journals (DOAJ) können diese Zeitschriften identifiziert werden. Seriöse Zeitschriften mit Article processing charge (APC) bieten oftmals sog. fee waiver an, um benachteiligten Wissenschaftlern und Autoren die Publikationsgebühren zu erlassen.

Veröffentlicht

Online-Redaktion

Universitätsbibliothek